3.9.2025

Belgisches Mobilitätsbudget: Ein Modell für ein gesetzliches Mobilitätsbudget in Deutschland?

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Belgisches Mobilitätsbudget: Ein Modell für ein gesetzliches Mobilitätsbudget in Deutschland?

Belgien gilt als Pendel-Europameister. Lange Arbeitswege und hohe Abhängigkeit vom Auto belasten dort seit Jahren Alltag und Infrastruktur. Die Politik hat reagiert: Seit 2019 gibt es ein gesetzlich verankertes Mobilitätsbudget. Und ab dem 1. Januar 2026 wird es verpflichtend für alle Arbeitgeber, die Firmenwagen anbieten. Beschäftigte erhalten damit automatisch die Wahl, ob sie ein Auto oder ein flexibles Budget für nachhaltige Mobilität und Wohnen nutzen.

Damit ist Belgien das erste Land in Europa, das betriebliche Mobilität auf breiter Basis gesetzlich neu ordnet. Doch wie funktioniert das Modell genau, welche Wirkung entfaltet es bereits und was könnte Deutschland daraus lernen?

Wie funktioniert das Mobilitätsbudget in Belgien?

Das Mobilitätsbudget basiert auf einem klar strukturierten Dreisäulenmodell.

  1. Der grünere Firmenwagen
    Arbeitnehmer können weiterhin einen Dienstwagen nutzen, allerdings einen, der bestimmte Umweltkriterien erfüllt. Dazu gehören vor allem Elektrofahrzeuge oder Modelle mit sehr geringen Emissionen.
  2. Nachhaltige Mobilität und Wohnen
    Hier liegt das Herzstück. Das Budget kann für Fahrräder, ÖPNV, Carsharing oder andere nachhaltige Optionen genutzt werden. Zusätzlich können auch Wohnkosten in Arbeitsplatznähe bezuschusst werden. Damit geht Belgien über den reinen Wechsel des Verkehrsmittels hinaus und setzt auch auf Verkehrsvermeidung.
  3. Barauszahlung
    Wer das Budget nicht komplett für Mobilität nutzt, kann sich den Rest auszahlen lassen. Dieser Betrag ist allerdings mit einem Sonderbeitrag belegt, sodass es attraktiver bleibt, in die erste oder zweite Säule zu investieren.

Das System wurde 2019 eingeführt, 2021 reformiert und ist inzwischen etabliert. Mit der Pflichtregelung ab 2026 wird es vom Nischenangebot zum Standard.


Warum brauchte Belgien dieses Modell so dringend?

Die Ausgangslage macht deutlich, warum Belgien aktiv werden musste.

  • Im Schnitt wohnen belgische Arbeitnehmer rund 39 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt.
  • Die tägliche Pendelzeit liegt bei etwa 53 Minuten, was der höchste Wert in der Europäischen Union ist.
  • Ursache ist die Struktur: Viele Arbeitsplätze konzentrieren sich in urbanen Zentren wie Brüssel, Antwerpen oder Gent, während ein Großteil der Bevölkerung im ländlichen Raum wohnt.

Wer schon einmal während der Rush Hour in Brüssel, Gent oder Antwerpen unterwegs war, weiß, was Verkehrswahnsinn bedeutet. Lange Staus sind dort eher Normalzustand als Ausnahme und genau deshalb musste Belgien neue Wege in der Mobilität suchen.

Europäischer Vergleich der Pendeldistanzen und -zeiten

Land / Region Ø Distanz (km) Ø Zeit (Minuten)
Belgien 39 53
Deutschland 17 39
EU-Durchschnitt 32 45
 
Quelle: Eurostat (2019–2024): Durchschnittliche Pendeldistanzen und -zeiten in der EU

Wie groß ist die Wirkung bisher?

Ende 2024 nutzten 5,2 Prozent der berechtigten Arbeitnehmer das Mobilitätsbudget. Das entspricht etwa 34.000 Personen, die freiwillig auf den Firmenwagen verzichteten. Auf den ersten Blick wirkt die Zahl klein, doch angesichts der kurzen Zeitspanne ist das beachtlich. Mit der Pflicht ab 2026 wird die Zahl der Nutzer deutlich steigen.

CO₂-Effekt

  • Ø Pendeldistanz in Belgien: 39 km je Strecke, also 78 km pro Arbeitstag.
  • Bei 176 Arbeitstagen im Jahr (vier Tage pro Woche, Homeoffice eingerechnet) ergibt das fast 14.000 km pro Jahr.
  • Pro Kilometer verursacht ein Pkw durchschnittlich 150 g CO₂.
  • Wenn 34.000 Personen auf das Auto verzichten, spart das über 60.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.

Verkehrsentlastung

  • Das entspricht rund 30.000 bis 34.000 Autos, die nicht mehr im täglichen Pendelverkehr eingesetzt werden.
  • Multipliziert mit einer einfachen Strecke von 39 km ergibt das 1,3 Millionen vermiedene Pendelkilometer pro Tag.
  • Mit vier Arbeitstagen pro Woche entspricht das fast 1 Million Autokilometern weniger pro Werktag.
  • Für ein Land mit 11,5 Millionen Einwohnern ist das ein beachtlicher Effekt, vergleichbar mit dem gesamten Pendelverkehr in einer mittleren Stadt wie Leuven oder Namur mit jeweils rund 100.000 Einwohnern.

Was würde das für Deutschland bedeuten?

Auch in Deutschland ist der Dienstwagen stark verbreitet, allerdings nicht in der gleichen Dichte wie in Belgien. Die durchschnittliche Pendeldistanz liegt niedriger bei rund 16 bis 17 km, die Zeit ebenfalls bei etwa 39 Minuten. Arbeitsplätze sind oft dezentraler verteilt, was die Wege verkürzt.

Auf der politischen Ebene gab es 2024 den Versuch, ein steuerlich begünstigtes Mobilitätsbudget einzuführen. Bis zu 2.400 Euro jährlich sollten pauschal mit 25 Prozent versteuert werden können. Doch dieser Passus wurde im Oktober 2024 wieder gestrichen.

Ein Rechenbeispiel für Deutschland

In Deutschland gibt es rund 4,7 Millionen Dienstwagen. Würden 5,2 Prozent der Nutzer also etwa 244.000 Personen statt eines Autos ein Mobilitätsbudget wählen, hätte das spürbare Effekte:

  • Ø Pendeldistanz: 16,5 km je Strecke, also 33 km pro Tag.
  • Bei 220 Arbeitstagen pro Jahr entspricht das rund 7.300 km pro Auto.
  • 244.000 Autos × 7.300 km = 1,78 Milliarden km weniger pro Jahr.
  • Bei 150 g CO₂ pro km ergibt das eine Einsparung von rund 267.000 Tonnen CO₂ jährlich.

Ein solches Szenario zeigt, welches Potenzial in einem gesetzlich klar geregelten Mobilitätsbudget auch in Deutschland steckt.

Was könnte Deutschland tun?

Der direkte Vergleich zeigt: Belgien hat nicht nur den Mut, Anreize umzuschichten, sondern auch einen ganzheitlicheren Blick. Besonders die zweite Säule, also das Wohnen in Arbeitsplatznähe, ist entscheidend. Deutschland denkt Mobilitätsbudget bislang fast ausschließlich als Zuschuss für Verkehrsmittel, nicht als Instrument zur Verkehrsvermeidung.

Lösungsansätze für Deutschland

  1. Steuerliche Klarheit schaffen
    Eine Pauschalbesteuerung bis zu einem definierten Betrag würde Unternehmen und Arbeitnehmern Planungssicherheit geben.
  2. Wohnortnähe integrieren
    Arbeitgeber könnten unterstützt werden, Mitarbeitenden Zuschüsse für Miete oder Kauf in Arbeitsplatznähe zu geben. Das verkürzt Wege dauerhaft.
  3. Pilotprojekte starten
    Kommunen, große Arbeitgeber oder Branchenverbände könnten Modellregionen aufbauen, um Wirkung und Akzeptanz zu testen.
  4. Mobilitätsbudget als Benefit denken
    Statt nur als Ersatz für den Dienstwagen könnte das Budget Teil eines flexiblen Benefit-Portfolios sein. Digitale Plattformen wie fast2work bieten Unternehmen bereits heute die Möglichkeit, solche Modelle praktisch umzusetzen, von der Verwaltung bis zur Auswertung.

Fazit: Mehr als ein grüner Firmenwagen

Belgien zeigt, dass Mobilitätsbudgets wirken können, wenn sie verbindlich eingeführt werden und über reine Verkehrsmittelwahl hinausgehen. Die Verknüpfung mit Wohnen ist ein entscheidender Baustein.

Deutschland steht an einem Scheideweg. Bisher fehlt ein klarer gesetzlicher Rahmen. Doch wenn man die Vorteile ernst nimmt, also weniger CO₂, weniger Verkehr und mehr Lebensqualität, dann führt kaum ein Weg daran vorbei, das Konzept aufzunehmen.

Am Ende bleibt die Frage: Ist Deutschland bereit, nicht nur grüner zu fahren, sondern auch weniger zu fahren? Vielen Unternehmen fehlt bislang jedoch eine belastbare Datenbasis zum Pendelverhalten ihrer Mitarbeitenden. Genau hier setzt fast2work an: Mit digitalen Tools lassen sich Pendelmobilität erfassen, analysieren und als Entscheidungsgrundlage nutzen. So entsteht Transparenz, auf deren Basis nachhaltige Mobilitätsstrategien entwickelt und umgesetzt werden können.

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fast2work bietet digitale Lösungen für das Mobilitäts- und Benefits-Management in Unternehmen. Unsere Plattform optimiert Prozesse, ermöglicht flexible Verwaltung von Mobilitätsbudgets und senkt Kosten durch steuerliche Vorteile und Nettolohn-Optimierung. Gleichzeitig erfassen wir CO₂-Emissionen für das CSRD-Reporting, fördern nachhaltige Mobilität und stärken die Mitarbeiterbindung.

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Das Mobilitätsbudget bietet eine Lösung, die gleich mehrere Interessen von Unternehmen adressiert:

  • Kosteneffizienz: Weniger starre Fixkosten, mehr steuerliche Vorteile.
  • Arbeitgeberattraktivität: Ein modernes Benefit, das Fachkräfte anzieht und bindet.
  • Nachhaltigkeit: Sichtbarer Beitrag zu CO₂-Reduktion und ESG-Strategien.
  • Flexibilität: Mobilität passend zu individuellen Lebensrealitäten statt Einheitslösungen.

Damit wird das Mobilitätsbudget zu einem strategischen Instrument, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele miteinander verbindet. Richtig umgesetzt, stärkt es die Wettbewerbsfähigkeit und zeigt Mitarbeitenden, dass ihr Unternehmen verstanden hat, wie Mobilität heute funktioniert.

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